Brettchenweben

Brettchenweben

Technik:  

Das Brettchenweben ist eine eigenständige, vom Webstuhl oder Webrahmen unabhängige Arbeitstechnik.

Als Webgerät dienen Brettchen, die an den Ecken mit Löchern versehen sind.

Die Form der Brettchen ist je nach der Anzahl der Löcher unterschiedlich. Es gab Brettchen mit bis zu 8 Löchern. Brettchen wurden aus Holz, Horn, Knochen, Leder, Elfenbein oder Bronzeblech hergestellt.

Ein zusammenhängendes Gewebe entsteht dadurch, dass nach jeder Brettchendrehung um 90 Grad  ein "Schussfaden" durch das neu entstandene Webfach geführt wird. Er hält nur die Verschnürungen der Kettfäden fest und wird selbst außer bei Spezialtechniken, nicht im Gewebe sichtbar.

Ein Brettchengewebe besteht also aus den nebeneinander liegenden Schnüren, die jedes einzelne Brettchen liefert, und dem verbindenden, quer zur Kette durchgeführten Schussfaden. Aus den im Gewebe mehrfach übereinander liegenden, miteinander verdrehten Kettfäden erklärt sich die besondere Zugfestigkeit und Haltbarkeit der Brettchenbänder.

Die Farbverteilung und die Schrägrichtung der Kettfäden, damit die Musterung des Bandes, sind abhängig vom ursprünglichen Einzug der Kettfäden in die Brettchenlöcher und auch von der jeweiligen Drehrichtung der Brettchen.

Geschichtliches: 

Das Brettchenweben ist eine sehr alte Handwerkstechnik, die im vorderen Orient, Afrika, Südamerika und Asien noch heute ausgeübt wird.

Man kann mit dieser Technik sehr feste Bänder von einigen Millimetern bis zu ca. 30 cm Breite herstellen.

Diese Bänder werden als Stoßkanten von Bekleidung, als Gürtel, als Pferdezaumzeug, als Hundeleinen und noch zu vielem anderen verwendet.

Die Brettchenweberei  ist wahrscheinlich genauso wie das Weben in verschiedenen Kulturkreisen gleichzeitig erfunden worden.

Abbildungen in ägyptischen Grabkammern sowie der Fund eines elfenbeinernen Webbrettchens in einem Tempel in Susa führen vielleicht bis ins 3. vorchristliche Jahrtausend zurück.

Ein altägyptischer Fund, der so genannte „Ramsesgürtel“ (aufbewahrt im Museum in Liverpool) stammt aus etwa 1200 vor Chr. und ist höchstwahrscheinlich in Brettchenwebtechnik hergestellt.

Das älteste europäische Brettchengewebe stammt aus einem Grab der Villanovazeitlichen Nekropole Sasso di Fubara in Italien und wird auf das  8.Jhd.v.Chr. datiert.

Die ältesten Brettchenfunde kommen aus Spanien. In einem Grab aus dem 4.Jh. v. Chr. wurden neben einer Anfangskante in Brettchenweberei auch Brettchen aus Buchsbaumholz gefunden. Ihre Kantenlänge beträgt 3,0 bzw. 3,5 cm und sie haben 4 Löcher.

Besonders reichhaltig mit brettchengewebten Bändern wurde das Grab des Keltenfürsten von Hochdorf (ca. 520 v Chr.) ausgestattet. Die Brettchenbänder zeigen geometrische Motive, wie Diagonalen, Winkelhaken, Mäandermotive, Flechtband und Hakenkreuze.

Der Thorsberger Mantel aus dem 3.Jhd. n. Chr. ist das bekannteste Beispiel dieser Technik. Dieser Mantel hat eine rechteckige Form von 168 cm Breite und 263 cm Länge und  ist an allen vier Seiten mit Brettchengewebe eingefasst. Das Muster der Borten sind Längsstreifen. Die Anfangskante wurde mit 9 Brettchen gewebt. Die beiden Seitenkanten haben eine 17,8 cm breite Borte, die mit 178 Brettchen gewebt wurden. Die Borte der Abschlusskante besteht aus 138 Brettchen und ist 14 cm breit.

Im Frühmittelalter stand das Brettchenweben im gesamten europäischen Raum in hoher Blüte. Durch die Erschließung neuer Handelswege kam Ende des 8.Jhd. die Seide nach Europa. Bei der Brettchenweberei wurde zusätzlich zu den bisher verwendeten Woll- und Leinenfasern Seide verwendet. Schmuckbänder in großer Anzahl benötigte das sich ab dem 8. Jh. in Zentraleuropa ausbreitende Christentum. An vielen liturgischen Gewändern sind Brettchengewebe angebracht worden.

 

Eine der bekanntesten mittelalterlichen Abbildungen über Brettchenweberei stammt aus der Großen Heidelberger Liederhandschrift (besser bekannt als Codex Manesse) auf der Tafel 94.

Mit dem Beginn der Neuzeit stirbt die Technik der Brettchenweberei in Mitteleuropa aus. Diese Webart wurde durch die mechanischen Webtechniken verdrängt. Nur in Island, Russland und auf dem Balkan erhielten sich Reste der Brettchenweberei  bis ins 18. und 19. Jahrhundert.